Drei ist keiner zu viel by Supinen Miina

Drei ist keiner zu viel by Supinen Miina

Autor:Supinen, Miina [Supinen, Miina]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2015-01-27T05:00:00+00:00


Es war ziemlich anstrengend, mit Stellas Neugier gegenüber der Religion der Waldmenschen Schritt zu halten. Von morgens bis abends wunderte sie sich über deren Verhaltensweisen und fragte mich hundert Mal am Tag, warum sie dies oder jenes taten, wieso um alles in der Welt, wozu zum Teufel. Ich konnte ihr natürlich keine Antworten geben, denn von Voulas Glaubensprinzipien wusste ich so gut wie nichts.

Natürlich gab es alle möglichen Glaubensvorstellungen. Das rationale Weltbild ist ein neues, seltenes und nur lose verankertes Konstrukt. Ich hatte meterweise Geschichte und Anthropologie gelesen, war nach Indien und in den Nahen Osten gereist, hatte spindeldürre Yogis als menschliche Knoten in den Bäumen und an Straßenrändern gesichtet, in einer Moschee Menschen ihre Hintern in die Höhe strecken sehen und orthodoxe Mönche beim Anbeten von Heiligenknochen beobachtet. Religiosität und alle damit einhergehenden Seltsamkeiten gehörten nun mal zur Grundausstattung des Homo sapiens. Letzten Endes war in der Regel die häusliche Prägung ausschlaggebend.

»Na, sie versucht wohl, in Trance zu geraten. Sprich nicht so laut, das ist unhöflich.«

»Jaja, aber warum tut sie das? Kann sie nicht wenigstens einen BH tragen?«

»Lass uns einfach nur zuschauen.«

Ich öffnete meine zweite Dose Bier. Wir verfolgten die Tranceübungen von Hannele bereits seit einer halben Stunde.

»Das ist total unfinnisch! Oder, ich weiß nicht – vielleicht gibt es irgendwo im Norden Sekten, die ähnlichen Unsinn und Gebetsformen wie die Zungenrede praktizieren. Soweit ich weiß, halten normale Finnen allen religiösen Zirkus irgendwie für … unpassend. Meine Freundin ist Pfarrerin, aber auch sie war noch nie in so einem Zustand. Das ganze Christentum heutzutage ist doch nichts als Wischiwaschi, das man nicht ordentlich zu fassen kriegt und das nicht einmal mehr Gnade oder ähnlich lauwarme Wohltaten bringt. Ich bin einmal zu einer Abendveranstaltung junger Christen gegangen, wo es zu einer etwas seltsamen Begebenheit kam. Enni hat die Gruppe sofort im Anschluss an den Abend aufgelöst. Aber hier! Die Typen hier glauben wirklich an ihren magischen Kram!«

Einige der Aktivitäten der Waldmenschen waren zweifelsohne nett anzuschauen. Vor allem, wenn sie das Stadium der Zittertrance erreichten und die in Trance Fallende einen ansehnlichen Busen hatte. So wie jetzt gerade Hannele. Sie wand und schüttelte sich auf dem Rasen mit bloßen Füßen, wehenden Haaren und wippenden Brüsten.

Die Sonne stand hoch, und ein leichter Wind wehte den Duft von Wiesenblumen und Schachtelhalmen herüber. Ich saß auf dem Rand einer alten Badewanne, in der ein Hecht schwamm, eine Dose Bier in der Hand, Stella zu meinen Füßen – und war zufrieden mit mir und der Welt. Aus der Wanne des heiligen Fisches stieg ein rostiger, stechender Geruch, der sich auf angenehme Weise mit Stellas charakteristischem Aroma vermischte. Ihre Tiraden waren mitunter lästig, doch sie verbreitete Pheromone, die mich immer stärker anlockten.

Die Waldmenschen saßen in einem Halbkreis auf dem Boden. In der Mitte Voulas feuriger Kopf. Einer der Männer trommelte. Die Stimmung an diesem Tag war gelöst, beinahe träge, und bis die Trance erreicht war, dauerte es eine Zeit. Die Zuschauer hatten zum Teil schon das Interesse verloren und angefangen, sich zu unterhalten. Maja hatte ihre Handarbeit aufgenommen und klapperte mit metallenen Stricknadeln.



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